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„Wir knüpfen in Slowenien momentan wieder an die Achtziger Jahre an“

redaktionsbüro: Antje Mayer
Alenka Greorgiè:
- Künstler werden ja immer wieder gerne unter dem Label „Balkan“ subsumiert, vor allem von westlichen Kuratoren. Das hören jene gar nicht gerne, stimmt das?
- Wo beginnt der Balkan? Immer woanders. Für einen Schweden in Wien, für uns Slowenen natürlich erst an der kroatischen Grenze. Viele bei uns definieren ihr Land lieber als Teil der Adria-Alpenregion. Es gibt bei uns viele Witze über das Thema, was lebendiger Ausdruck einer aktuellen Identitätssuche ist. Ein bisschen Balkan ist auf alle Fälle in uns, denn wir waren doch Teil der Sozialistischen Republik Jugoslawien und es leben viele Bosnier und Kroaten im Land. Das Label „Balkan“ hat doch für so manchen slowenischen Künstler anfangs auch die Eintrittskarte auf das internationale Kunstparkett bedeutet. Nur weil wir Slowenen die- auf dem Balkan ziemlich unbeliebten- Streber unter den neuen EU-Beitrittsländern sind, müssen wir nicht ein Teil unserer Wurzeln verleugnen. Locker nehmen, drüber stehen!
- Slowenien hat unter den ex-jugoslawischen Ländern immer eine Sonderrolle gespielt, tut es das auch im Kunstbereich?
- Auf alle Fälle. Slowenien hat sich auch zu Jugozeiten immer stark über die Kultur definiert. Wohl mit ein Grund, warum bei uns heute fast alles, sogar Clubs, sogar einzelne Kulturschaffenden indirekt durch die Zahlung derer Sozialabgaben von staatlicher Seite unterstützt werden. Circa zwischen 2.500 bis 3.000 sind mittlerweile als solche in Slowenien registriert, circa die Hälfte von denen bekommen Unterstützung. Die Institutionen bekommen mittlerweile immerhin Drei-Jahres-Budgets von einer Expertenkommission zugesprochen, wobei aber das Programm jährlich neu im vorn hinein beantragt werden muss. Das ist ziemlich mühsam. Unsere Galerie Škuc bekommt in etwa 120.000 Euro pro Jahr, ausländische NGOs unterstützten uns zusätzlich. Wir realisieren von dem wenigen Geld immerhin zehn Ausstellungen pro Jahr. Sponsoring ist rekrutierten, ist in Slowenien immer noch eher mühsam.
- Mischt sich der Staat inhaltlich in die Kultur ein?
- Nein. Die Entscheidungen trifft eine unabhängige Expertenkommission. Da aber Slowenien so derart klein ist, besteht die Gefahr von „Freunderlwirtschaft“. Ich bin etwa in einer Jury, die über Galerien befindet. Wenn es um die Galerie Škuc geht, verlasse ich den Raum. Neutral zu bleiben, ist hart.
Unser aktueller Kulturminister Vasko Simoniti zeigt derzeit übrigens wenig Sinn für Alternatives und gebärdet sich in allererster Linie als Geschäftsmann. Das geplante Museum für Gegenwartskunst hat er platzen lassen. Nun soll in „ROG“, auf einem Areal einer alten Fahrradfabrik, ein „Zentrum für zeitgenössische Kunst“ entstehen. Eine verwässerte Mischnutzung, mit einem Architektur- und Design Zentrum und anderen kommerziellen Anbietern. Gegenwartskunst hat zurzeit keinen guten Stand bei uns. Bezeichnend, dass sich Slowenien anlässlich seiner EU-Präsidentschaft mit Kunst und Architektur aus dem 18. und 19. Jahrhundert im Ausland präsentiert.
- Dabei kann Slowenien auf eine ziemlich bewegte neuere Kunstgeschichte zurückblicken?
- Auch ein belastendes Erbe, denn es ist schwer an die legendären Achtziger Jahre anzuschließen als unsere Galerie Škuc (1978) gegründet wurde, NSK, Irwin und Laibach für internationalen Aufruhr sorgten. Die „Veteranen“ aus dieser Zeit sind ja noch in ihren besten Jahren und aktiv, haben aber auch Raum besetzt, der vielleicht jetzt einer jüngeren Generation gebühren sollte.
- Kommt momentan eine interessante Generation von Künstler nach?
- Nach der Euphorie nach der Unabhängigkeit 1991 und den Technologieexperimenten Anfang bis Mitte der Neunziger kann man eine echte Krise der slowenischen Kunstszene verbuchen. Die scheint vorbei. Tatsächlich sehe ich momentan eine auffallend starke Generation zwischen zwanzig und dreißig Jahren nachkommen, die virtuos verschiedenste Genre miteinander verknüpft: Politik, Wissenschaft und Soziales. Wir knüpfen in Slowenien momentan wieder an die Achtziger Jahre an. Außerdem ist es für mich ein Zeichen von Reife, dass wir vermehrt mit den Ländern aus Ex-Jugoslawien künstlerisch kooperieren und beginnen, mehr und mehr in unserer eigenen (Kunst-)Geschichte zu graben.

Die Kunsthistorikerin Alenka Gregorič war erst 26 Jahre alt, als sie 2003 die legendäre Galerie Škuc von Georg Podnar übernahm, die sie heute als leitende Kuratorin führt. www.galerija.skuc-drustvo.si/skuc2.htm

Antje Mayer ist Gründerin des Journalistinnenkollektivs www.Redaktionsbuero.at in Wien, schreibt für verschiedenste internationale Magazine über Kultur mit Schwerpunkt Zentral- und Osteuropa.
Galerie Škuc -